Hauen, fesseln, schimpfen – warum machen die das?

Ich habe mir fest vorgenommen, diesen Beitrag nicht mit einer Referenz auf 50 Schattierungen einer gewissen Farbe zu beginnen ;-), und hoffe deshalb, dass es auch so klingelt, wenn ich schreibe, dass es im folgenden um sexuelle Praktiken gehen wird, die in der Szene unter dem Akronym BDSM zusammengefasst werden: Bondage (Fesseln), Discipline (Bestrafung), Dominanz, Submission (Unterwerfung), Sadismus (Lust am Zufügen von Schmerzen) und Masochismus (Lust am “Erleiden” von Schmerzen). Menschen, die sich dieser Szene zurechnen oder eine entsprechende Sexualität leben (oder phantasieren), mögen es beispielsweise bzw. finden es erregend, zu schlagen und/oder geschlagen zu werden, zu fesseln und oder gefesselt zu werden, zu beschämen oder gedemütigt zu werden, erzogen zu werden, zu bestrafen, Schmerz zu erleiden oder einer andere Person zu sagen, was sie tun soll. Manche haben dabei immer die aktive Rolle, andere immer die passive und wieder andere (Switcher genannt) wechseln die Rollen. Auch wenn eine Person nur eine Rolle, zum Beispiel die passive Rolle mag (solche Personen bezeichnet man als devot oder masochistisch) heißt das nicht, dass sie alles mag. Vielleicht mag sie es, wenn man ihr Schmerz zufügt (Masochismus), mag aber nicht gedemütigt werden. Oder sie  empfindet Lust und Erregung, wenn sie gefesselt wird, kann (heftigeren) Schmerz aber gar nicht ausstehen.

So unterschiedlich die Menschen sind, die sich zu diesen Praktiken bekennen, eines dürften sie alle gemeinsam haben: sie werden durch andere Personen, die solche Praktiken nicht mögen und befremdlichen finden, immer mal wieder mit dem Vorurteil konfrontiert, dass etwas mit ihnen nicht stimmen könne, dass das doch krank oder unnormal oder zumindest gefährlich sei, was sie da begehrten und praktizierten. Einen wichtigen Beitrag dürfte da auch der zu Anfang nicht genannte Film geleistet haben: wissen wir doch nun, dass die männliche Hauptfigur nur deshalb Sadist geworden ist, weil er eine schlimme Kindheit hatte. Tatsächlich zeigt eine Studie der australischen Sexualwissenschaftlerin Juliet Richters, dass Menschen, die BDSM mögen, nicht häufiger sexuellen Missbrauch in der Kindheit erlebt haben als “Normalos” und dass sie auch nicht häufiger psychologischen Stress erleben. Ja, es gibt sie noch die Diagnosen “sexual masochism disorder” und “sexual sadism disorder” im DSM, dem amerikanischen Klassifikationssystem für psychische Störungen, allerdings darf die nur vergeben werden, wenn die betroffenen Personen unter ihren sadistischen oder masochistischen Phantasien leiden.

Wenn diese BDSMler also in der Regel nicht krank oder gestört sind, warum mögen sie dann Dinge, die vielen anderen Menschen nicht im geringsten als erstrebenswert erscheinen dürften? In den Sexualwissenschaften werden hier verschiedene Erklärungen diskutiert wie zum Beispiel die These, dass BDSMler “Sensation seekers” seien, also Personen die generell nach besonders intensiven Erlebnissen suchten. Eine andere Möglichkeit wäre, dass sexuelle Präferenzen durch klassische Konditionierung gelernt werden. Wenn eine Person das erste Mal sexuelle Lust erfährt, wenn sie beim Indianerspiel an einen Marterpfahl gefesselt ist, sollte sie später eher dazu neigen, fesseln erregend zu empfinden. Besonders interessant finde ich aber eine dritte Erklärung, die besonders gut für Personen mit masochistischen oder devoten Neigungen passt (eventuell aber auch auf die aktiven Counterparts): beim “Erleiden” von Schmerz, beim gefesselt werden, beim Befolgen von Befehlen erleben viele Praktizierende von BDSM nicht nur sexuelle Erregung sondern auch etwas, das im Szene- Jargon Subspace genannt wird: ein veränderter Bewusstseinszustand ähnlich eines Highs (durch Sport oder durch Drogen) oder einer Trance. Aus wissenschaftlicher Sicht könnte es sich dabei um einen Zustand handeln, der dem Neurowissenschaftler Arne Dietrich  folgend als “transient Hypofrontality” bezeichnet wird. Dabei handelt es sich um einen vorübergehenden (transient) Zustand verringerter (hypo) Frontalität, wobei mit Frontalität die Funktionen des frontalen Cortex gemeint sind wie zum Beispiel Arbeitsgedächtnis, die Fähigkeit sich Vergangenheit und Zukunft vorzustellen und vorauszuplanen etc. (hier ein interessanter Ted-Talk dazu). Die Personen erleben also einen traumähnlichen Zustand, in dem sie nicht vorausplanen, nicht an die Vergangenheit denken, generell nicht nachdenken, sondern sich im Hier und Jetzt befinden, und erleben genau das als angenehm, rauschhaft, trance-ähnlich.  Nehmen Personen, die sich in BDSM-Sessions regelmäßig in den Sub-Space führen lassen also Urlaub von ihren höheren Hirnfunktionen? Und warum ist genau das so angenehm ? Und was hat es mit Sex zu tun?

Fragen über Fragen, und die Sexualwissenschaft scheint hier erst am Anfang zu sein. Ein paar Studien gibt es dazu allerdings schon und die mag ich Euch nächste Woche vorstellen. Vorher würde ich aber gerne von Euch wissen: welche Fragen habt Ihr zum Themenfeld BDSM? Was wolltet Ihr diesbezüglich schon immer einmal wissen? Schreibt es mir in die Kommentare, ich werde versuchen, es für Euch herauszufinden!

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