Können wir nicht über “da unten” reden weil wir von “da unten” reden?

Ich habe meinen ersten Sexworkshop gehalten. Na ja, nicht ganz: einen Workshop übers Reden über Sex. Warum es so schwierig ist. Warum es vielleicht trotzdem gut wäre. Und wie wir es tun können, wenn wir es tun wollen. Zu letzterem sind wir dann nicht mehr wirklich gekommen. Aber der Reihe nach.

Der Workshop fand an einem wunderschönen Ort statt, bei einem ganz großartigen kleinen Festival, das Freunde von mir organisiert haben, mit lauter großartige Menschen, von denen sich viele tatsächlich für das Thema (keine Überraschung) und für meinen Workshop (schon eine Überraschung) interessiert haben. Da nicht alle die ganze Zeit Zeit hatten, habe ich den Workshop in zwei Teile geteilt: im ersten Teil haben wir über darüber gesprochen, mit welchem Vokabular wir über Sex sprechen, im zweiten darüber, warum es uns so schwer fällt und welche (gute )Gründe es da geben kann, es nicht zu tun.  Interessant fand ich da den Punkt, dass Sex einen sehr körperlichen und damit nicht-verbalen Zauber haben kann, der dadurch zerstört werden könnte, dass man darüber spricht – vor allem (aber nicht nur) währenddessen. Ich weiß nicht, ob ich dem zustimmen würde und ich weiß auch nicht, ob es Forschungsergebnisse dazu gibt  (“Zauber” lässt sich generell schwer erforschen) aber fast noch interessanter fand ich eine Beobachtung aus dem ersten Teil: Wir tun uns offenbar relativ leicht tun, die männlichen Sexualorgane zu benennen, während wir uns mit den verschiedenen Bezeichnungen für die weiblichen Geschlechtsorganen nicht wirklich wohlfühlen.

Während die WorkshopteilnehmerInnen Penis (oder manchmal auch Schwanz) zumindest einigermaßen OK fanden , gab es bezüglich der weiblichen Geschlechtsorgane sehr viel mehr Begriffe (wie zum Beispiel Muschi, Möse oder Fut), die als unschön und sogar als abwertend (!) empfunden wurden. Unser Versuch, einen abwertenden Begriff für den Penis zu finden, war dagegen ziemlich erfolglos. Ziemlich häufig genannt wurden Scheide oder Vagina, wobei vor allem letzteres teilweise als zu medizinisch angesehen wurde. Und noch etwas anderes fällt hier auf: Scheide und Vagina bezeichnen eigentlich nur den innenliegenden Teil der weiblichen Geschlechtsorgane, den Muskelschlauch. Der äußere Teil (Klitoris, Scheideneingang und Schamlippen – auch so ein blödes Wort: was gibt es hier zu schämen?) heißen Vulva. Vagina wird im allgemeinen Sprachgebrauch – so auch im Workshop – manchmal auch für alles verwendet, was an sich kein Problem ist: Sprache ist lebendig und wandelt sich im Gebrauch. Allerdings ist es auch irgendwie sehr bezeichnend: wir meinen alles, verwenden dafür aber den Begriff, der ursprünglich nur den unsichtbaren Teil bezeichnet hat. Damit sagen wir doch im Grunde: das eigentlich Wichtige an den weiblichen Geschlechtsorgane ist die Hohlform, das wo ein Penis hineinpasst, nicht etwa die Teile, die man sehen kann und die Lust machen. Kein Wunder dass das alles so schwierig ist mit dem Reden!

Meine These wäre nun: um wirklich über Sex reden zu können,  müssen wir Begriffe finden (zu Not auch erfinden), die uns gefallen. Oder wir nehmen erstmal die, die wir haben, und die uns am wenigsten missfallen. Und diese verwenden wir dann so lange so häufig und zu allen möglichen Gelegenheiten (im Gespräch mit unseren Freundinnen, mit unseren Kindern, mit unseren Kolleginnen, beim Arzt,  beim Reden über Sex oder über Fahrradsättel) bis sie uns kein bisschen komisch , “schmutzig”, seltsam oder peinlich mehr vorkommen, sondern das sind , was sie sein sollten: ganz normale Bezeichnung für ein ganz normales Körperteil. Dann fällt es uns vielleicht  leichter, bei, vor oder nach dem Sex darüber das zu sagen, was wir sagen wollen.

Ich danke allen Teilnehmer*innen der Workshops! Ihr wart großartig und ich habe sehr viel gelernt von Euch!

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