Robert hat spannende Fragen gestellt

Robert, ein österreichischer Blogger der ersten Stunde, den ich noch aus anderen beruflichen Kontexten kenne, hat ein spannendes Interview mit mir geführt. Das ist schon gut, wenn man sich nicht immer nur selbst was fragt sondern auch mal jemand anderes. Auf mache der Fragen wäre ich selbst nie gekommen. Danke Robert! Einen Ausschnitt aus dem Interview nun hier, den Rest findet Ihr auf Roberts Blog.

Was sind für dich die interessantesten Erkenntnisse, die uns die Sexualforschung bietet?
Oh da gibt es vieles – und ich bin ja noch ganz am Anfang meiner Recherchen. Zuletzt beeindruckt hat mich etwa ein Artikel darüber, wie Frauen mit Gebärmutterkrebs und daraus resultierenden sexuellen Schwierigkeiten durch Achtsamkeitsübungen geholfen werden kann, wieder Erregung wahrzunehmen und dadurch auch wieder ein erfülltes Sexualleben zu haben (hier ein Interview dazu). Oder eine Studie über die sexuellen Phantasien der Amerikaner*innen, in der sich gezeigt hat, dass Republikaner*innen besonders häufig von Gruppensex und vom Fremdgehen träumen, während bei Demokrat*innen BDSM-Phantasien besonders verbreitet sind. Tabuisierte Dinge und Dinge, die wir nicht haben können, scheinen sexuell also besonders interessant zu sein.
Sehr wichtig finde ich auch Erkenntnisse, die helfen, bestimmte Neigungen und Verhaltensweisen zu enttabuisieren und vor allem zu entpathologisieren (=klarzustellen, dass es sich dabei nicht um krankhaftes Verhalten handelt). So hat sich in den letzten Jahren zum Beispiel herausgestellt, dass Pornographienutzung ziemlich sicher nicht zu Erektionsschwierigkeiten führt, dass Menschen, die BDSM mögen, nicht „gestörter“ sind als andere, und dass Pornodarstellerinnen nicht häufiger als andere Frauen in ihrer Kindheit sexualisierter Gewalt ausgesetzt waren.

Sexualität ist mit vielen Emotionen versehen. Wie schafft man es den sachlichen Abstand zu halten um objektiv forschen zu können?

Ja stimmt, Sexualität hat viel mit Gefühlen zu tun, vor allem auch mit moralischen Gefühlen. Und natürlich haben Sexualforscher*innen selbst auch Gefühle und moralische Einstellungen den Themen gegenüber, das sie erforschen (ich würde denken, sie sind da etwas liberaler eingestellt, als andere Menschen, aber es gibt da auch andere Beispiele). Damit kann man (wie generell in den Sozialwissenschaften, wo ja auch sonst oft emotional aufgeladenen Themen untersucht werden) unterschiedlich umgehen. Zum einen kann man versuchen, durch möglichst objektive Instrumente und Befragungsformen (z.B. online- Fragebögen mit standardisierten Fragen) sicherzustellen, dass die Versuchspersonen möglichst wenig von den individuellen Werten und Annahmen der Forschenden beeinflusst werden. Das System der Peer-Reviews bei wissenschaftlichen Journals trägt zusätzlich dazu bei, dass möglichst nur Studienergebnisse veröffentlicht werden, die nachvollziehbar sind und mit möglichst objektiven Methoden erzielt wurden.

Die zweite, eher in qualitativen Forschungstraditionen beheimatete Strategie besteht darin, die eigenen Grundannahmen, Erfahrungen und auch moralischen Einstellungen bezüglich des Themas explizit zu machen, damit Leser*innen selbst entscheiden können, wie sie die beschriebenen Ergebnisse bewerten wollen.[ …] Ein wichtiges Merkmal wissenschaftlicher Integrität ist, dass man sich auch mit Ergebnisse auseinandersetzt, die einem selbst nicht in den Kram passen. Da kann man sich nur immer wieder selbst und gegenseitig erinnern.

Beobachtung verändert das beobachtete Objekt/Subjekt heißt es in anderen Wissenschaften? Ist das nicht gerade in der Sexualforschung ein Problem?

Wie oben schon erwähnt, wird in der Sexualforschung kaum noch beobachtet. Also zumindest nicht direkt wie Menschen miteinander Sex haben. Aber auch Fragebogenstudien oder Interviews können einen Einfluss auf die Menschen haben, die an der Studie teilnehmen, da unterscheiden sich die Sexualwissenschaften nicht von anderen Sozialwissenschaften. Zu einem Problem für die Forschung selbst wird es dann, wenn Menschen mehrfach befragt werden. So konnten bei einer Studie zum Thema „selbst diagnostizierte Pornosucht“ 40% der Befragten nicht für die Folgebefragung herangezogen werden, weil sie angegeben haben, inzwischen keine Pornos mehr zu schauen. Das könnte durchaus ein Effekt der ersten Befragung sein und man mag sich fragen, was sie sonst noch alles bei den Probanden geändert hat, was nun die Ergebnisse der zweiten Befragungswelle verfälschen könnte.

Wenn Beobachtung das beobachtete Subjekt verändert, dann kann das aber auch ein ethisches Problem sein. So kann man sich zum Beispiel fragen, ob es ethisch vertretbar ist, Jugendliche nach ihrem Pornokonsum zu fragen, oder ob man sie dadurch erst auf „blöde Ideen“ bringt. Eine ganz aktuelle Studie aus Kroatien hat aber erst vor kurzem gezeigt, dass Jugendliche, die nach ihrem Pornokonsum gefragt werden, anschließend nicht häufiger Pornos schauen.

Soweit mal an dieser Stelle. Das vollständige Interview könnt Ihr hier nachlesen.

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