Wie Sex verhandeln? – was uns Philosophie über Sex und Konsens zu sagen hat

Als ich mit diesem Blog begonnen habe, dachte ich, dass ich hauptsächlich empirische Studien aus der Sexualpsychologie vorstellen würde, vielleicht noch aus der Soziologie oder anderen Sozialwissenschaften. An die Philosophie hatte ich ehrlich gesagt nicht gedacht. Was sollte man durch reines Nachdenken schon erkennen können?

Bekehrt hat mich die Philosophin (und Boxerin!) Rebecca Kukla, deren Artikel “That´s What She Said: The Language of Sexual Negotiation” wunderbar an unsere Diskussion zum Thema Konsens, die ich hier zusammengefasst habe, anschließt. Sie schreibt, dass unsere Konzentration auf das Konzept des Konsens, wenn es um die Verhandlung von Sex geht, unbefriedigend ist, weil es impliziert, dass Sex etwas ist, was eine Person (implizit: der Mann) will und die andre Person dann über sich ergehen lässt. Und dass Sex etwas ist, dessen Ablauf von vorne herein feststeht. Sie belässt es aber nicht bei dieser Kritik, sondern macht einen interessanten Alternativvorschlag und erklärt außerdem, warum wir Safewords auch beim “normalen” Sex verwenden sollten.

Was ist das für ein Vorschlag? Kukla geht von dem Konzept der Sprechakte aus.  Die Frage nach Konsens/Einverständnis ist so ein Sprechakt. Aber vielleicht einer, der gar nicht so gut passt zu dem, was beim Sex ausgemacht und verhandelt werden soll. Stattdessen beschreibt sie zwei andere Sprechakte vor, die Modell stehen könnten für die Art und Weise, wie wir Sexualität initiieren: die Einladung und das Angebot eines Geschenks. Bei der Einladung gehen wir davon aus, dass das, wozu wir einladen, für die andere Person mindestens genauso erfreulich ist wie für uns selbst. Und das sollte Sex ja sein. Und wir sprechen Einladungen nur aus, wenn sie grundsätzlich angemessen sind. So würden würde eine Professorin beispielsweise nicht ihren Studenten in ein teures Restaurant oder zu sich nach Hause einladen. Übertragen auf die Einladung zum Sex bedeutet das, dass sie nur ausgesprochen werden soll, wenn das grundsätzlich angemessen ist. Ist es das nicht, wäre bereits diese Einladung Belästigung. In allen anderen Fällen impliziert sie : ich freu mich, wenn Du Lust hättest zu kommen, aber Du bist natürlich nicht verpflichtet und ich bin auch nicht gekränkt, wenn Du die Einladung nicht annehmen magst

Das Angebot eines Geschenks geht noch einen Schritt weiter. Es impliziert, dass der sexuelle Akt, den man schenken möchte, vor allem der anderen Person Freude bereitet. Tut er das nicht, ist es kein Geschenk und der Sprechakt ist auch kein Angebot eines Geschenks. Ein solches Geschenk kann abgelehnt werden, wenn es wider Erwarten keine Freude macht. Und die Person, die es anbietet, sagt damit, dass sie gerne gibt. Ein bisschen kommt mir das vor wie die das Gegenstück zur Frage nach dem Konsens, nur das vorher nicht gefragt wurde sondern das Angebot zuerst da ist. Wenn ein Geschenk angeboten wird muss also niemand um Einverständnis fragen,

Mir kommen beide Vorschläge plausibel vor, auch wenn ich mir nicht ganz sicher bin, ob Einladungen oder Geschenke (ihre Angebote) immer völlig ohne Erwartungen ausgesprochen werden und entsprechend die Übertragung in den sexuellen Raum nicht doch wieder implizite Erwartungen impliziert. Uneingeschränkt plausibel finde ich aber die Idee, auch im Vanilla-Kontext (also wenn nicht BDSM praktiziert wird) Safe-Words zu benutzen. Das sind willkürliche Begriffe (nicht “nein” oder “Stop” sondern so etwas wie “Tannenbaum”, “Helsinki” oder auch “rot”), die verwendet werden können, um eine sexuelle Szene zu beenden, ohne Dinge sagen zu müssen wie “lass das, ich mag das nicht”. Dadurch, dass die Verwendung eines solchen Safe- Words nicht begründet werden muss und vorher vereinbart wird, kann man sich nicht nur auf sexuelle Spiele und Situationen einzulassen, die ein vorübergehendes Machtgefälle implizieren und/oder riskanter sind, sondern kann nach Kukla auch sexuelle Interaktionen beenden, ohne die andere Person zu verletzen. Und schließlich zieht die Vereinbarung eines solchen Safe-Words eine Ebene der Metakommunikation ein (man redet darüber, wie man beim Sex kommunizieren möchte), die selbst wieder ein Form der Verhandlung oder Einigung in sexuellen Belangen darstellt. Entsprechend regt Kukla an, die Verwendung von Safewords im Rahmen der Sexualaufklärung zu unterrichten. Ein sehr interessanter Vorschlag, wie ich finde.

Wie seht Ihr das: würde es Euch helfen, wenn es ein neutrales Safeword gäbe, das Ihr beim Sex ggf benutzen könntet? Wie würdet Ihr es finden, wenn eine Person, mit der ihr Sex habt/haben wollt, diesen initiiert, indem sie beispielsweise eine Einladung ausspricht? Und wie könnte diese konkret aussehen? Bin sehr auf Eure Beiträge gespannt!

 

 

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