Sex im Sachcomic II: Der Ursprung der Liebe

Wie “Der Ursprung der Welt” Pflichtlektüre für alle Vulvabesitzer*innen und -liebhaber*innen ist (hier vorgestellt) , so ist “Der Ursprung der Liebe” der schwedischen Zeichnerin Liv Strömquist Pflichtlektüre für alle, die sich mit alternativen Beziehungsformen und verschiedenen Formen, Liebe zu leben, beschäftigen. Wir lernen hier, warum Frauen traditionell diejenigen sind, die sich um Gefühle kümmern, während Männer ihre Unabhängigkeit pflegen (können), dass Liebesheiraten eine Erfindung des 19. Jahrhunderts sind (1790 hingegen: “Wir haben nicht aus Liebe geheiratet” “Na und? Ruf einen an den das interessiert” “Wie denn? das Telefon ist noch nicht erfunden? “), was Monogamie und die gesellschaftliche Verurteilung der Geliebten mit Besitzverhältnissen zu tun haben und warum wir der Liebe in unserer Gesellschaft generell einen so großen Stellenwert einräumen. Weil sich Strömquist als Schwedin auch mit nordischen Mythen beschäftigt hat, weiß sie, dass Frigg, Odins Frau, mehrere Männer hatte, also Polyandrie lebte, und Freya Sex mit mehreren Zwergen hatte, was von den nationalromantischen Dichtern wohlweislich verschwiegen wurde.

Besonders eindrücklich auch die Darstellung unserer seriell monogamen Vorstellungen, die sich darin ausdrücken, dass wir Personen lieben (sollen), so lange wir mit ihnen zusammen sind, und dann plötzlich von einem Tag auf den anderen damit aufhören, um jemand anderen zu lieben.

 

Während ich den Titel “Der Ursprung der Welt” richtig super finde, gefällt mir “Der Urspung der Liebe” nicht ganz so gut. Denn eigentlich geht es nicht um ihren Ursprung, sondern darum, was sie für uns bedeutet. Viel besser passt da meiner Meinung nach der schwedische Titel: Prins Charles Känsla, übersetzt: Das Gefühl von Prinz Charles. Der bezieht sich, wie Liv Strömquist in einem Interview für die Missy berichtet, nämlich auf ein Interview mit ihm, in dem er auf die Frage, ob er Lady Diana liebe, antwortete: “Yes – whatever love means.”  Und damit fängt er ziemlich gut ein, worum es in diesem Buch geht.

Aber auch inhaltlich bin ich von diesem Band nicht ganz so restlos begeistert, wie von “Der Ursprung der Welt”. Das hängt aber vielleicht auch mit meinem disziplinären Hintergrund in der Psychologie zusammen. Aus irgendeinem Grund bin ich bei psychologischen Erklärungen für soziale Phänomene, denen hier durchaus Bedeutung eingeräumt wird,  immer besonders skeptisch, und ganz schlimm wird es für mich dann, wenn psychoanalytischen Erklärungen dazu kommen. Die erwecken oft den Anschein, als könnte etwas nur so und nicht anders sein, dabei geht es doch gerade darum, vermeintliche Universalien zu hinterfragen.  Trotzdem: ein sehr lesenswertes Buch – kritisch bewerten können wir ja schließlich alle selbst.

“Der Ursprung der Liebe” ist im Avant-Verlag erschienen und kostet circa 20 Euro.

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